Für mich steht hier eine Entscheidung an für den weiteren Reiseverlauf: links (Vietnam) oder rechts (Thailand). Obwohl sich 2 Jahre Weltreise lange anhören, habe ich aktuell ein begrenztes Zeitbudget. Kurz gesagt ist das entweder Vietnam jetzt oder Südkorea Mitte April und ich entscheide mich für letzteres.Das heisst, dass ich von Luang Prabang mit dem Slow Boat über Huay Xai nach Chiang Mai fahre und von dort aus nach Hongkong fliegen werde.

Sich vom Lonely Planet Thailand zu trennen fiel mir in Pakse schwer. Aber ich kann keinen weiteren Backstein mit mir herumschleppen. Der Rucksack ist zu schwer und insgesamt habe ich 5 Bücher dabei und das geht gerade nicht. Ich wollte in Laos als erstes Land testen, ob ich mit digitalen Notizen und Dokumenten zurechtkomme. Den LP Laos habe ich als PDf auf dem iPad dabei. Das geht halbwegs, ich war skeptisch, ob das Gerät den Tagesrucksack überlebt. Das File auf dem iPhone 4 geht nur als Notbehelf, das Display ist winzig und gerade bei Karten teils unbrauchbar. Ich recherchiere zumeist über wikitravel.org und mache mir Notizen. Denn am Zielort angekommen, habe ich erstmal kein Wlan. Dummerweise hat keiner der Browser ein Caching, und so muss ich alle Infos rauskopieren. Evtl. über eine Caching App für Chrome nachdenken. Oder auch nicht, denn in Laos benötigt man sehr wenig Internetrecherche. avor Ort ankommen und sich ein Guesthouse suchen – fertig. Ein paar Orientierungshilfen, etwa wie viel das Tuk Tuk in die Innenstadt kosten wird, und das war es.

Es fiel mir vor allem schwer mich vom Lonely Planet zu trennen, weil ich unglaublich stark am Text klebe. Genau alles recherchieren, schon im Vorfeld wissen, in welchen Unterkünften ich potentiell absteigen will. Das hat einiges mit over-engineering zu tun und in den ersten Reiseetappen erwägte ich fast, meine Recherchezeit auf 1 Stunde pro Tag zu begrenzen. Das ist ansonsten fast wie ein Bürojob: Informationen via Internet und Büchern sammeln, sortieren, werten, aufbereiten. Ich bin introvertiert (dieses Buch von Susan Cain erklärt worum es geht).

Die interessante Frage: was will ich eigentlich: weiter, weiter, more, more oder Ruhe finden? Aktuelle Antwort: letzteres. Vietnam würde Planung erfordern. Ich bin von der sechsmonatigen, intensiven Reisevorbereitung mit Firmen- und Wohnungsauflösung stärker angeschlagen als erwartet. Dazu war Thailand keineswegs entspannend, sondern durch den Unfall geprägt. Und ich habe einem halben Bürojob hier, immer noch die Überreste von zu Hause aufkehren: unbezahlte Kundenrechnungen mit Recherche nach Inkassobüro, die Endabrechnung der Gasrechnung der alten Wohnung stimmt nicht, die Krankenkasse meldet sich nicht etc. Nachdem ich in den ersten 4 Wochen Reise ein paar Tiefschläge kassiert habe, befinde ich mich immer noch im Regenerationsmodus.

Dazu spüre ich eine gewisse Reisemüdigkeit: ich finde es manchmal unglaublich mühseelig mittags an einem Ort anzukommen, und mich gleich um eine Weiterfahrt am nächsten Tag zu bemühen. Also vielleicht doch der Versuch weniger Orte zu sehen und länger an einzelnen Orten zu bleiben. Zumindest für jetzt. Und ich will anders reisen, als in meinen bisherigen Urlauben. Diese waren nämlich immer das Maximalprogramm an Orten in 3-4 Wochen gequetscht. Und ich genieße es nicht im Touri-Modus zu sein, der panisch die „must see“ Orte abhaken muss. Nein, muss ich nicht, zumal es oft ein ödes Beglotzen von Steinhaufen ist, die gleichzeitig von anderen Touristen fotografiert und bestarrt werden. Da lese ich lieber ein Buch über die Historie des jeweiligen Landes.

Was ich bisher gelernt habe: es gibt touristische Orte, die überlaufen und nicht gut sind: Ko Samui. Xian hatte ich auch so eingeschätzt, ein chinesischer Backpacker, mit dem ich in Si Phan Don einen Wasserfall besuchte, meinte dann aber „Whaaaat? Der Ort ist unglaublich gut und man kann dort eine Menge machen. Xiamen, wo ich im März hin wollte, fand er dagegen langweilig. Ich werde es herausfinden.

Bei Laos dagegen habe ich inzwischen den Verdacht es könnte Gründe geben, warum des Land vergleichswenig Touristen sieht. Ein Satz, über den ich letztens stolperte, und der in mir noch lange nachklingelte: „Just because everybody says it’s raining outside is no reason not to take an umbrella.“ Ich als alter Antizykliker dachte natürlich an Laos an ein unentdecktes Juwel, an ein Land, dass die üblichen Horden von Strandtouristen aufgrund fehlender Inseln (Ausnahme Si Phan Don) links liegen ließen. Falsch gedacht. Die Hauptstadt Vientianne könnte als eine verschlafene Provinzstadt in Nordthailand durchgehen. Alles läuft hier slow, Busse zu vieln Orten fahren einmal am Tag and that’s it. Die Geschwindigkeit ist reduziert, selbst mit Tempo 35 auf dem Roller überhole ich noch andere Fahrer. Dazu sind die Entfernungen zwischen den Orten lang und strapaziös (etwas Vientiane nach Luang Prabang).

Und dann doch die Träume vom „was wäre wenn…“, von dem Land, in dem alles anders ist. Laos. Eine Staatsdoktrin zwischen Marxismus und Buddhismus. Leute, die nichts tun den ganzen Tag lang. Wenn es sowas wie mein Paradies gibt, hier ist es. Der Unterschied zu Thailand ist augenfällig. Thailand gleicht einem Bienenstock, Kapitalismus auf Grassroots-Level, wo alle dem Mammon hinterherjagen. Laos wirkt dagegen Jahre hinterher. Verbrauchsgüter werden aus Thailand oder Vietnam importiert, beides die Kraftprotze der hiesigen Ökonomien. Es gibt Regionen, die immer Hinterland bleiben werden und wenn ich eine Prognose wagen darf: Laos wird auf absehbare Zeit Hinterland bleiben. Die Gefahr besteht immer, dass ein Land soweit zurückfällt, dass es irgendwann entweder innenpolitisch oder via Staatsbankrott kollabiert, aber das sehe ich derzeit nicht. Wozu sollte sich hier jemand die Mühe machen eine Revolution anzuzetteln?

Und wenn ich ehrlich bin, gibt es in mir doch einen Teil, der von Technologieflucht träumt. Vom Leben ohne Facebook, iPhone und Webarbeit (mind the paradox: während ich diese Zeilen in ein iPad tippe und auf WordPress veröffentliche). Was würde man gewinnen? Vielleicht 10, maximal 15 Jahre Vorsprung vor der technischen Durchdringung des Alltags.

In Vientiane bin ich nun schon 3 Tage im Hostel. Ob es wohl bestimmte Uhrzeiten gibt, die für Schnarchen prädestiniert sind? Morgens um 5 startet das Sägewerk und ich flüchte aus dem Dorm in den Aufenthaltsraum, wo das Personal schläft und Matthias vor seinem Laptop sitzt. Ein ausgewanderter Software-Entwickler aus Deutschland, der hier und anderen Orts arbeitet und Projekte vom Hostel aus durchführt. Mit angemeldetem Firmensitz in Hong Kong und in einem meiner Szenarien nach 2016 wäre das genau eine der Optionen.

Wie die Ökonomie in Laos funktioniert, wäre auch so ein Punkt. Ein Angestellter in einem Laden verdient monatlich umgerechnet $100, Miete kostet für eine kleine Wohnung aber schon $300. Wie soll das funktionieren? Es fahren dafür einige Nobelkarossen wie BMW X6 durch die Stadt. Es wird gemunkelt, dass 12 Familien das Land unter ihrer Fuchtel haben, und bei der marxistischen Geronto-Kleptokratie hier würde mich das auch nicht wundern. Generell hat Kapitalismus mehr Ausprägungen als diese nivellierte Mittelstandsidee von Deutschland, wo selbst Gutverdiener offensiv abstreiten reich zu sein.

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