Noch in Vientiane wird nach dem chinesischen Mondkalender das Jahr der SchafZiegeBock eingeleitet. Es sollte große Auswirkungen auf den weiteren Verlauf der Ereignisse haben. In Vientiane ist von den Feierlichkeiten wenig zu merken, außer dass etliche Hausaltare reichlich mit Opergaben bestückt sind. Ansonsten kreist ein einsamer Truck mit rotgekleideten Menschen auf der Ladefläche durch die Stadt, so wie Karnval mit nur einem Laster.

Die Stadt will mich nicht von dannen ziehen lassen in Richtung Vang Vieng, denn zuerst werde ich aus dem Minibus wieder rausgeworfen, dann ist der VIP Bus überfüllt und ich bin Teil der Gruppe, die nicht mehr hineingekommen ist. Also werden wir zum Busbahnhof außerhalb der Stadt gefahren per Jumbo. Auf dem Weg dorthin überfährt der Fahrer beinahe eine Ziege (ganz schlechtes Omen an diesem Tag). Der Minibus nach Vang Vieng bzw. dessen Getriebe gibt nach 2 Stunden Fahrt mitten im Nichts seinen Geist auf. Hier könnte eigentlich das Abenteuer starten und wir planen bereits die Übernachtung im nächsten Dorf. Der Fahrer liegt unter dem Wagen und versucht mit der einen Hand und klonk-klonk-klonk den Bus zu richten, während er mit der anderen telefoniert. Es wird langsam dunkel und ungemütlich in der Kurve, da permanent Trucks von beiden Richtungen angerast kommen. Nach 2 Stunden ist das Abenteuer vertagt, ein leerer Minibus fährt uns an den Zielort. Dort angekommen trifft uns das chinesische Neujahr mit voller Wucht. Die Stadt ist voll mit Autos die laut Nummernschild aus Sichuan, Yunnan und Chongqing stammen.

Alle Hostels sind restlos ausgebucht. Ich bin plötzlich Teil einer Dreiergruppe und wir suchen längere Zeit nach Betten. Die Situation erinnert unangenehm an „Die Reise nach Jerusalem“, bis spät nachts sieht man noch Leute mit Rucksack durch die Straßen wandern. Wir finden eine Absteige bei einer leicht senilen Omi, die kein Wort Englisch spricht, nicht schreiben kann, und eine Einkaufstasche mit Schlüsseln hat, bei denen allerdings die Nummern vertauscht sind. Ich bin in Zimmer 7 mit Schlüssel 11. Das Guest House wurde wahrscheinlich direkt zusammen mit der Republik Laos gegründet und seitdem nicht mehr angefasst, an den Wänden hängen vergilbte Fotos des Politbüros. Mit fällt erst später auf, dass das Kopfkissen verschimmelt ist und wir machen uns am ersten Morgen direkt auf.
Victor, ein Backpacker aus der Inneren Mongolei, habe ich in Laos an verschiedenen Orten getroffen. Und nun auch in Vang Vieng. Von Vientiane hat er weniger gute Erfahrungen mitgenommen, er wurde im Hostel nachts ausgeraubt, was per Überwachungskamera dokumentiert ist. Anschließend lebte er 2 Tage ohne Geld auf der Polizeiwache. Und das im verschlafenen Laos.

Am nächsten Morgen hat sich der Mitreisende Italiener schon abgesetzt in die nächte Ortschaft und Sarah und ich suchen ein Guesthouse. Es geht weiter wie gestern und 3 Stunden später haben wir ein Zimmer. Der Typ an der Rezeption schüttet uns sein Herz aus „I just want a day off!“. Was mich auch nicht wundert, schließlich betreiben die einen riesigen dreistöckigen Bau, dann noch ein Reisebüro und einen Friseursalon und er und seine Kollegin flitzen nur von einer Theke zur nächsten. Fast so wie Helge Schneider in „Jazzclub“, nur ohne Jazz. Und ohne lustig. Ich frage mich ernsthaft, warum man da keine Maschine für die 10 notorischsten Fragen hinstellt: You have room? How big is it? how much? usw. Ich hätte in der Position nach 1,5 Arbeitstagen schon Burnout. Vang Vieng habe ich mir als Partyort vorgestellt, aber die Zeiten scheinen vorbei zu sein, das hier ist ein Urlauberort vor majestätischer Bergkulisse. Vermutlich könnte man hier schöne Stellen finden außerhalb des Ortskerns, denn der ist ein Rummelplatz für Urlauber. Etwa in der Mulberry Organic Farm. Die Atmosphäre im Ort erinnert mich an Yangshuo, dort ist es auch landschaftlich nett aber völlig durchverummelplatzifiziert. Es zieht mich weiter, dazu gibt es hier an beiden Tagen heftigen Platzregen.

Sarah hier zu treffen ist wie die Glocke der Erinnerung zur hören: es ging dir bei der Reise doch um etwas. Statt stur ein Programm abzuarbeiten, wollte ich mich auf den Ort und jeden Moment einlassen. Ich habe selten jemanden getroffen, der so herzlich Offenheit beim Gegenüber erzeugen kann und so voll quirliger Energie steckt.

Ich fahre weiter nach Luang Prabang, hier wird die Zimmernot aber nochmal getoppt: die Stadt ist komplett ausgebucht. Ich bekomme noch durch Zufall nach 5 Stunden Suche ein völlig überteuertes Zimmer im Chitlatda Guest House. Andere Reisende bitten später am Abend in Hostels darum, dass sie auf dem Boden schlafen dürfen. In Vang Vieng hatten Leute schon im Treppenhaus genächtigt. Ich hatte für Zimmer an Folgetagen nachgefragt: bis zu 8 Tage ausgebucht. Aber die Stadt lohnt die Reise. Sonntags ist Luang Prabang noch ruhiger als sonst. Man kann Schmetterlinge und Wasserschlangen im Mekong sehen. Oder eines der Wats oder den Königspalast ansehen. Im Fuhrpark des Königs befinden sich verstaubte und angerostete Mittelklassewagen der 1950er und 1960er Jahre und ich muss über den Ford Edsel doch lachen. Der gilt als einer der verfehltesten Automodelle, die jemals gebaut wurden. Der König im Ford Edsel. Wohin er damit gefahren ist, weiß man nicht, denn die Straßen in Laos sind heute in Buckelpistenzustand und waren damals wahrscheinlich kaum passierbar.

In den letzten Tagen reifte die Erkenntnis: Ich möchte gerade länger an einem bestimmten Ort sein und dieser Ort heisst Chiang Mai. Ich befinde mich im Durchreisemodus. Luang Prabang ist nett, aber aktuell hält mich hier nichts ohne vernünftige Unterkunft. Da ich das komplette Stadtzentrum sowieso mehrfach komplett abgelaufen habe, mit und ohne Rucksack, entscheide ich mich für einen Kompromiß: statt mit Slow Boots übermorgen fahre ich mit dem Nachtbus am Abend des nächsten Tags weiter nach Huay Xai. So kann ich mir ohne Übernachtung die Stadt nochmal in Ruhe ansehen, außerdem bin ich dadurch nicht 3 Tage unterwegs nach Chiang Mai.

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