Warum kommen eigentlich Touristen hierher? Für mich ist es nach wie vor ein Faszinosum, dass Touristen vor allem dorthin gehen, wo sich andere Touristen aus Ihrem Land aufhalten. Schon am Bahnhof begegnen einem US-amerikanische Studentinnen mit Rucksäcken. Nur so eine kurze Reflexion über die Tourist Bubble, in der man sich selbst bewegt. Mir fiel zum Beispiel auf, dass einige Orte, die in Kalifornien von Anwohnern genutzt werden, etwa die Ventana Wilderness, gar nicht im Reiseführer auftauchen. Die Anwohner betreiben anderen Tourismus als Auswärtige. Und wir selbst sind heute hier, da wir alle anderen Städte und Ausflugsziele in der Region in den vergangenen Wochen bereits abgegrast haben.

Der Sommer ist dieses Jahr verregnet, aber der heutige Tag ist es nicht. Im Gegenteil. Es ist der wohl heißeste Tag des Jahres. Ein unfassbar heißer Sommertag im Süden. Der Beton schmilzt an wie ein Eis in der Sonne. Außerhalb des Schattens ist es unerträglich. Trotzdem sind wir verrückt genug, den Philosophenweg hochzuwandern. Vorbei an den Villen und der Universität geht es den Berg hoch. Steil, Steil, Steil. Schwitz, Schwitz, Schwitz. Die Touristengruppen auf Segways haben es deutlich einfacher an der Steigung und rollen bequem zu ihrem Cornetto am Kiosk. Sollen Sie doch! Wir erkämpfen uns den Berg und genießen oben dann die Aussicht über die Stadt am Tal.

Auf dem Weg nach unten kommen uns viele Kleingruppen von japanischen Touristen entgegen, die sich schwitzend den Berg hochquälen. Sie haben den deutlich steileren Weg von der „Alten Brücke“ aus gewählt.
Zurück über die malerische „Alte Brücke“ geht es in die Innenstadt. Da es heute einfach viel zu heiß ist gehen wir gleich zum ganz wichtigen Programmpunkt über: im klimagekühlten Starbucks gemächlich am Frappuccino nippen und die Frankfurter Allgemeine am Sonntag lesen. Und das Missy Magazin. Statt Hitzeschlag droht hier nur Brain Freeze durch Eis.

Ich selbst bin lange nicht mehr hier gewesen, nämlich knapp 20 Jahre. Wo sich früher der Plattenladen „Vinyl Only“ befand, werden heute Burger gebraten. Die Stadtkarte im Kopf stimmt nicht mehr mit der Realität überein: „Da müsste doch ein ganz anderes Geschäft an der Stelle sein!“ Das passiert mir ab und zu, bis sich mein Hirn an die neue Realität gewöhnt hat.

Die Bergbahn und das Schloß lassen wir ausfallen. Stattdessen daddeln wir mit der App Duolingo herum und lernen Spanisch: ¡qué calor! Man kann es sich auch ohne weitere Aktivitäten ganz genehm machen und über Parks zurück zum Bahnhof schlendern.

Tschüss, Heidelberg, nächstes Mal mehr.

One Reply to “Ein Sommertag in Heidelberg”

  1. Das kenne ich auch, dass man die Heimat als selbstverständlich und weniger als Reiseziel deklariert. Aber manchmal muss man nicht weit weg, um einen tollen Ort zu entdecken. Das Wetter klingt tatsächlich als sei es viel zu warm für Bewegung gewesen. Schön, dass ihr euch trotzdem die Aussicht erkämpft habt.

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