Hong Kong ist ein kleinerer Kulturschock nach Thailand. Die Briten haben nicht nur ihre Steckdosen hinterlassen, sondern auch das Wetter. Als ich ankomme ist es grau und neblig. Wenn London in Asien liegen würde, dann… Wobei das so auch nicht hinkommt. London wirkt fast provinziell gegen diese Verdichtung von Raum und Menschen, beides viele Stockwerke in die Höhe gestapelt. Die Anzahl von Rolex-Fachgeschäften ist erstaunlich, ebenso sind alle Luxusmarken mit vielen Geschäften vertreten. Kowloon scheint hauptsächlich aus Shopping Malls zu bestehen. Die Menschen selbst sind alle unglaublich posh gekleidet. Alle Jüngeren sind extrem marken- und stylebewußt und tragen Sneaker in nuklearbunten Farben. Gerade um den Lady Market in Kowloon, Mong Kok reihen sich Nike, Adidas, New Balance, Converse, Vans Geschäfte dicht an dicht.

Und auch die Taktung des Alltags ist hoch, was mir als Kontrast zu Thailand auffällt. Banker und Anzugträger hetzen nervös durch die Straßen, entweder mit Handy am Ohr oder Einkaufstasche am Arm baumelnd. Man merkt der Stadt an, dass sie als Offshore Finanzmarktplatz steinreich geworden ist. Und in Rankings nach Pro-Kopf-Einkommen in den Top Ten gleich hinter der Schweiz gelistet wird. In der Stadt brummt das Geld und die Einwohner, die es sich leisten können, zeigen das auch.

Im Ranking „Städte mit den meisten Verbots- und Warnschildern“ dürfte Hong Kong auch sehr weit vorne liegen. Hier gibt es Schilder für alles. Was aber auch daran liegt, dass hier sehr viel verboten ist und in Parks manchmal die Security das Rauchverbot überwacht.

Trotz des trüben Wetters ist Victoria Peak es wert besichtigt zu werden. Die Seilbahn der Aussicht wegen spare ich mir, stattdessen finde ich auf dem Weg zoologischen und botanischen Garten mit freiem Eintritt. Der Aufstieg oben wird wirklich steil und es wird zunehmend nebliger. Am Gipfel dann eine Shopping Mall und der übliche Rummel. Es gibt einen 3km langen Rundweg, der sich lohnt. Es ist grün und der Lärm der Stadt dringt wie ein fernes Rauschen hier hoch. Alleine ist man aber auch hier nicht, der Weg ist stark frequentiert von Spaziergängern und Joggern. Auf dem Rückweg finde ich die Rolltreppen von Central zu den Mid Levels, damit kann man auf dem Hinweg von Soho aus sicher ein Stück des Wegs sparen.

Stanley liegt im Süden von Hong Kong Island. mit dem Bus aus Central kommt man bequem hier her, entweder Linie 6, 63 oder 65 oder Greenbus Linie 40. Schon die Fahrt im Doppeldeckerbus ist ein Genuss: die Stadt dünnt aus, die Häuser werden weniger, die Landschaft wird grüner und erinnert an eine Mittelmeerinsel: Yachten liegen in Buchten und es gibt Sandstrände en masse. Die Ferraridichte nimmt zu. An der Endstation Stanley Plaza wartet dann – wie könnte es auch anders sein – eine mehrstöckige Shopping Mall. Unter ihr befindet sich eine Strandpromenade mit Bars und Bistros. Dazu das mondäne Murray Haus und der daoistische Tin Hau Tempel. Die Uferpromenade lädt zum Flanieren ein, ideal für einen bräsigen Sonntag nachmittag. Erstaunlicherweise lässt sich die Sonne blicken.

Bei meinem Weg aus dem Ort hinaus begegnen mir besetzte Hütten (auch dafür hat Hong Kong Warnschilder aufgestellt sowie eine eigene Behörde eingerichtet). Den Stanley Military Cemetery ( wikipedia ) entdecke ich auch. Hier liegen die Gefallenen von 1941, die die Stadt gegen die Japaner verteidigten. Hinweistafeln geben kurz die Geschichte der Schlacht wieder. Und ganz ehrlich: ich hätte nicht gewußt, was in Hong Kong im zweiten Weltkrieg passiert ist.

Ich gehe aus Neugier den Weg weiter, vorbei an einem Gefängnis. Hier gibt es keinen Bürgersteig und keine Häuser mehr, die Straße schlängelt sich eng am Berg entlang. Und unfassbar: es gibt kaum noch Menschen um mich herum. Maximal alle 10 Personen sehe ich ein Auto oder einen vereinzelten Jogger. Die Straße endet an Fort Stanley, davor gibt es einen Wendehammer für die Linienbusse. Unberührte Natur findet man hier nicht: der Berg ist mit den Instandhaltungswegen erschlossen, die wenigen Häuser sind mit NATO-Stacheldraht und Überwachungskameras abgesichert und der Wachschutz döst vor sich hin und unterhält sich im Vorbeilaufen kurz mit mir.

Ich gebe meinen Versuch auf ein Stück unentdecktes Land zu finden, in einer der am dichtesten besiedelten Regionen der Welt. Macht ja nichts, Natur gibt es auch woanders zu entdecken. Zum Beispiel auf chinesischen Bergen, wo mich meine Reise als nächstes hinführt.

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