Sollte es wirklich einen Geheimtipp in China geben? Ein Reiseziel, von dem man sich nur hinter vorgehaltener Hand zuraunt? Das reizt dann doch! Und daher wollte ich mir den daoistischen Berg Sanqingshan ansehen.

Der D-Train aus der Metropole Hangzhou rast mit 306 km/h los und nach anderthalb Stunden komme ich in Yushan, Jiangxi Provinz an. Der Unterschied zu Hangzhou könnte kaum größer sein. Eben stand ich noch auf einem Bahnhof, der von der Größe an einen Flughafen erinnert, hier dagegen gibt es keinen Bahnhof. Der Zug stoppt kurz und ist sofort wieder weg. Man läuft vom Gleis durch die Unterführung und steht bereits draußen in einem kleinen Pulk schnatternder Taxifahrer. Zielstrebig begebe ich mich zum einzigen Bus, der hier wartet, Linie 6. Der Fahrer hat die Hände gemütlich hinter dem Kopf und die Füsse auf dem Lenkrad gelagert. Yushan steht auf dem Bus und er bestätigt mir das, weiter reichen unsere Kommunikationsmöglichkeiten nicht. Irgendwann finden sich mehr Fahrgäste ein und der Bus kurvt länger durch den Ort und hält dann am Busbahnhof in der Renmin Dadao Lu, Endhaltestelle.

Genau dort wollte ich hin. Das Hotel FangFang ist direkt um die Ecke, ich bin scheinbar der einzige Gast. Die Stadt hat sehr viele Hotels und diese sind derzeit vor allem eins: leer. Saison ist hier im Sommer. Ich hätte feilschen sollen, aber 70 Yuan sind auch so vollkommen in Orsnung für das beste Einzelzimmer, das ich in China habe. Am nächsten Tag will ich auf den Berg, aber es gießt in Strömen. Ich hatte in Hangzhou im Hostel noch den Tipp bekommen mir bei Bergtouren variable Tage einzuplanen. Daran hatte ich überhaupt nicht mehr gedacht, hier denke ich wieder daran und bleibe den Tag in Yushan. Und am nächsten Morgen strahlt dann tatsächlich die Sonne.

Mit dem Bus geht es nach Sanqingshan. Dort befinden sich noch mehr Hotels, die meisten davon Resorts, und es werden noch mehr Riesenklötze gebaut. Die Seilbahn spare ich mir, der Aufstieg zur Bergstation auf 1200m dauert nur eine Stunde. 150 Yuan Eintritt werden an einem Eingangstor beim Aufstieg abkassiert, mit Seilbahn wären es 275 Yuan gewesen. Oben gibt es weitere Verpflegung für durchaus vernünftige Preise, verhungern wird hier niemand.

Der Weg im Uhrzeigersinn ist erstmal wesentlich weniger steil. Mit Bergwandern im europäischen Stil hat das wenig gemein. Der Aufstieg besteht aus meist Steinstufen, oben gibt es dann einen betonierten Rundweg. Die Sache mit den Steinstufen findet sich auch bei andern touristisch erschlossenen Bergen in China. Ich würde das Konzept als Bergpark zum Besichtigen von Felsen (und daoistischen Tempeln) beschreiben. Der Tempel hier hat etwas, eine steinernes, uraltes Gemäuer aus dem 12. Jahrhundert. Innen leiten 2 Frauen eine Zeremonie vor einer knieenden Gruppe. Über den Berg verteilt finden sich noch weitere daoistische Pagoden. Und die Aussicht ist unglaublich. Ich bin froh den Umweg über den Purple Rock genommen zu haben auf dem Sunshine Trail.

Die eigentlichen Aussichtsplattformen befinden sich alle auf der anderen Seite des Bergs. Den kürzeren, zweiten Rundweg mache ich noch mit über Azalea Valley. Zeitlich reicht das locker, abschätzbar war es nicht, da die Karten keine Wegzeiten oder Entfernungen beeinhalten. Und auch manche Felsen fehlen. Verloren gehen kann man aber nur mit großer Mühe, alles ist ausgeschildert. Um 9 bin ich losgelaufen, um kurz vor 4 wieder unten. Eine Gruppe jüngerer Chinesen aus Shanghai hat mich noch zum obligatorischen Gruppenfoto eingeladen. Um 17 Uhr fährt der lokale Bus los, nachdem wir länger und vergeblich auf weitere Fahrgäste gewartet haben.

Was also ist nun mit der vollmundigen Ankündigung, dass Sanqingshan ein Geheimtipp wäre? Die UNESCO hat ihn jedenfalls zur geschützten Berglandschaft ernannt. Aber ganz alleine ist man dort nicht. Tourismus in China ist immer Massenveranstaltung und hier leben nun mal 1 Milliarde potentieller Inlandsurlauber. Auf dem Berg ist man nicht alleine, es gibt doch etliche Touristen dort. Allerdings ist mir keine einzige Tourgruppe begegnet. Das kann an der Jahreszeit liegen. Aber die meisten Touristen werden eher den nahe gelegenen Berg Huangshan in Anhui Provinz besuchen. Letzterer ist auch für ausländische Touristen breit erschlossen, Sanqingshan dagegen nicht. Hostels und englischsprachige Informationen sind rar über Sanqingshan. Huangshan, der gelbe Berg, liegt dann auch noch auf meiner Route.

Schreibe einen Kommentar

Deine E-Mail-Adresse wird nicht veröffentlicht. Erforderliche Felder sind mit * markiert

Diese Website verwendet Akismet, um Spam zu reduzieren. Erfahre mehr darüber, wie deine Kommentardaten verarbeitet werden.